Mediengruppe

1973 – 75 hier verbanden sich die Filmemacherinnen Helke Sander, Cristina Perincioli, Ricky Kalbe und die Journalistinnen Magdalena Kemper  und Gesine Strempel [SFB], Monika Mengel [Spandauer Volksblatt], Hilke Schlaeger [RIAS], Lea Rosh [NDR], Sophie Behr [Der Spiegel] and Johanna Schickentanz [ZDF], Ricky Mateyka [Der Abend], Christel Sudau [SZ], und schliesslich Alice Schwarzer.

Gründung der Mediengruppe

Eine Journalistinnen-Liste entstand erstmalig anlässlich des ersten Frauenfilmsemi­nars im Kino Arsenal. Anhand dieser Liste und ein paar eigenen Kontakten haben wir das erste Mal eingeladen.
Die Mediengruppe  des Frauenzentrums Berlin war Vorreiterin und fand im Laufe der Zeit Nachahmerinnen in anderen Medienanstalten. Magdalena Kemper weiss:

Als erstes wurden daraufhin die Frauenmediengruppen von ARD und ZDF gegrün­det, sukzessive ab 1975: Erst im WDR, dann im Hessischen Rundfunk und dann in Berlin. Hilke Schlaeger gründete mit anderen die RIAS Frauengruppe und wir die SFB Frauengruppe, das waren aber nicht nur Journalistinnen, sondern auch Cutterinnen, Programmassistentinnen und Sekretärinnen. Sie vergeben jährlich beim Herbsttreffen der Medienfrauen von ARD und ZDF die ‚Saure Gurke’ als Ergebnis unserer Programm­beobachtung. Die ‚Saure Gurke’ ist immer noch ein ziemlicher Medienerfolg und im Übrige die Idee eines Mitglieds unserer Gruppe, nämlich von Sabine Zurmühl.

Dann gründeten wir den Journalistinnenbund, der eher konventionell organisiert ist mit Vor­stand und Regionalgruppen – in Berlin eine sehr rührige Gruppe, die sich ein­mal im Monat trifft. Das Gute an dieser Gruppe: Es sind sehr viel junge Frauen dabei. Es ist keine Standesorganisation, sondern ein feministi­scher Berufsverband, und bietet ein Netzwerk, was inzwischen funktioniert. Z.B. werde ich hier informiert: ‚Neue Frauenministerin in Schleswig Holstein sucht eine Pressere­ferentin, fällt Euch nicht jemand ein?’. Es gibt einfach schon ein paar Frauen, die an solchen Stellen sitzen und sich jetzt gegenseitig sagen, was es an offenen Stel­len gibt, worauf man achten muss – nicht nur die Jungens unter sich.

Die Situation der Journalistinnen

Magdalena Kemper: Die jungen Frauen im Journalistinnenbund wollen allerdings die alten feministischen Debatten oft nicht mehr hören, sie haben andere Sorgen. Neue Medien, Teilzeit, oft mehrere Arbeitsplätze, die sie parallel beackern müssen, um überhaupt zu überleben. Fragen wie §218, oder wie Medien die Frauen darstellen, das ist eine Sache, die noch die Vetera­ninnen bewegt. Man muss aber dazu sa­gen, diese Veteraninnen haben meistens Posten, wo sie jeden Monat ihr Geld kriegen. Die jungen Frauen aber, die sind am Rudern. Wenn die sich ent­scheiden kön­nen, zwi­schen einer Veranstaltung zu Gender-Studies oder einer Fortbildung in di­gitalem Schnei­den, wer­den sie sich garantiert für das digitale Schneiden entscheiden.

Sitzungsprotokollen der Medien­grup­pewerfen was ein schar­fes Licht wirft auf die damaligen Arbeitsbedingungen von enga­gierten Journalistinnen, so schrieb Magdalena Kemper 1974 folgende Stichpunkte zur Entstehung und Motivation der Mediengruppe auf:

a) Berufsstatus des Journalisten besonders des freien Mitarbeiters:

Die Berufsituation gerade der Freien erinnert stark an feudalistische Zustände: Nur er­le­digte Aufträge werden bezahlt, es gibt keinen Arbeitsvertrag, keine feste Arbeits­zeit, keinen Kün­digungsschutz, keine Sozialversicherungspflicht des Arbeitgebers und es gibt ziemlich viele arbeitslose Journalisten. Konkret: jeder Urlaub, jede länger dauernde Krankheit bedeutet nicht nur totalen Verdienstausfall, sondern auch die Gefahr, keine Aufträge mehr zu bekommen, weil neue Leute dran arbeiten. Diese ökonomische Ungesichertheit produziert ein latentes ‚Feindverhalten’ der Journalisten untereinander, weil sie im permanenten Konkurrenzdruck stehen. Diese Unsicherheit produziert aber weiterhin auch inhaltliche Anpassung im Übermaß: Als Freier ist man abhängig von Willen und Willkür der Redakteure, die wiederum starken Repressionen von oben ausgesetzt sind. Dabei geht häufig die bedingungslose Kompro­missbereitschaft nach und nach weit über das hinaus, was tatsächlich noch politisch machbar ist. Pressezensur wird verinnerlicht.

b) Situation als Frau im Medienbereich

Frauen werden von vornherein häufig auf die sog. weiblichen Bereiche gedrängt: Kirche, Frauen­­­f­unk, Kinder, Jugend, Feuilleton. Dabei wird ihnen dann aber ironi­scherweise gerade bei Frauenthemen die ‚Befangenheit’ vorgeworfen, sie könnten ja nicht objektiv sein, wären zu emotional etc…

Die Solidarität der arrivierten Journalistinnen, Redakteurinnen und Abteilungsleiterinnen ist zwar prima aber selten, vielleicht weil die Frauen ihre Karriere nur auf Kosten ihrer eigenen Ansprüche machen konnten und sich inzwi­schen männlichen Forderungen anschließen. Leider verinnerlichen auch wir gele­gentlich die chauvinistischen Vorurteile von Männern: Wie Gesine Strempel, die erst nach und nach dahin­terkam, dass ihre Beiträge nicht schlechter waren, sondern abge­lehnt wurden, weil sie eine Frau ist, und daher gewöhnt war, Kritik von Männern als be­rechtigt anzu­nehmen. Oder Ricky Mateyka, die im “Abend” zu hören kriegte: ‘Wenn sie schon als Frau in ei­nem Männerberuf tätig sein wollen, dann müssen sie aber auch mehr leisten.’

Subtiles

Im Rahmen eines Aufrufs, uns Erfahrungsberichte zukommen zu lassen, damit ein Schwarz­buch Männermedien entstehen könne, fragte die Mediengruppe die Kolleginnen in Hinblick auf subtile Diskriminierungen:

Vielleicht fühlen Sie sich verpflichtet, nicht nur gut zu schreiben, sondern auch gut ge­schminkt zu sein? Vielleicht fühlen Sie sich auch oft ausgeschlossen, wenn Ihre Herren Kollegen in der Redaktion oder am Stammtisch das Ding ‚unter Männern’ aushandeln? Vielleicht fühlen Sie sich auch verpflichtet, auf Annäherungsversuche konziliant zu rea­gieren?

Marielouise Jurreit beklagte 1974 eine weitere subtile Form der Diskriminierung, nämlich die mangelnde Frauensolidarität von Seiten der älteren ar­rivierten Journalistinnen:

Ein Beispiel aus dem Bonner Raum: hier war es in den 50er Jahren für eine Journalistin mög­lich, sich als Korrespondentin zu etablieren, weil der Arbeitsmarkt noch Lücken hatte. Man darf bezweifeln, ob renommierte Journalistinnen aus dem libe­ralen Lager, die ihr Leben lang als Einzelkämpferinnen agierten (z.B. Marion Dönhoff, Julia Dingwort-Nusseck, Eva Windmöller, Ursula von Kardorff) auf dem heute bestehen­den Markt irgendeine berufliche Aufstiegschance hätten – auch wenn viele ihr Leben lang stolz drauf waren, keine unterdrückten Frauen zu sein und heute noch bestreiten, dass es eine Frauenfrage im Journalismus gibt.[6]

Die Medienfrauen betrachteten sich selbstkritisch, begannen sich aber auch vehement zu weh­ren gegen die damals weit verbreitete Praxis, über Frauenthemen nicht Frauen be­richten zu lassen. Marielouise Jurreit:

Wir sollten nicht zulassen, dass Männer über unsere Emanzipation schreiben und Sendungen machen, weil das Thema Frauenemanzipation einen gewissen intellektuellen Chic bekommen hat. In der Vergangenheit wurden große Fernsehsendungen über Emanzipation fast nur von Männern gemacht (Gerhard Bott[7], Wilhelm Bittorf[8]), die bei allem Bemühen Emanzipation nur aus der Sicht des Mannes definieren und denen dabei eine Fülle von Fehlinformationen unterlief. Es geht nicht an, dass Frauen, die von Frauenfragen etwas verstehen und ihre Meinung begründen können, zugunsten von uninformierten Männern (Frauen wurde vorgeworfen, nicht objektiv sein zu können) ab­danken müssen.[9]

Und sie forderte für die Programmgestaltung in den Sendern:

Wir wollen in allen politischen Magazinen und Diskussionssendungen als Mitarbeite­rinnen stän­dig vertreten sein (Journalisten FragenPolitiker antworten, Monitor, Kontrovers, Pro und Contra, Bericht aus Bonn, Wissenschafts- und Wirt­schafts­sendungen, Kommentare in den Nachrichtensendungen). Wir müssen dem allzu oft vorgebrachten Argument, es wäre ja keine Frau zu haben ge­wesen, durch unsere Mitgliederliste vorbeugen, die wir an alle betreffenden Redak­tionen schicken.[10]

Anhand dieser Liste von damals frauenfreien Redaktionen könnte man nun den heuti­gen Sachstand ermitteln. Ein gewisser Fortschritt scheint unübersehbar. Allerdings be­nennt sie auch politisch brisante Felder, wie die Kommentare in den Nachrichten­sendungen, die noch heute für Frauen (fast) gänzlich tabu sind.

Zum Schluss noch ein typisches Beispiel aus der damaligen Fernsehwelt: Als ich einem Redakteur des 3.Programms des SFB einen Fernsehbeitrag anbot über die Flying Lesbians – immerhin Europas erste Frauenrockband – meinte dieser: “Frauenthemen, das hatten wir doch schon – wir hatten dieses Jahr schon was zum §218”.

[1] Sender Freies Berlin

[2] Rundfunk Berlin Brandenburg

[3] Im Frauenzentrum unterstütze eine Gruppe mit einem einwöchigen Hungerstreik die Forderungen der Frauen in der Frauenhaftanstalt Lehrterstrasse.

[6] Jurreit, Marielouise: Vorschlag zur Gründung eines Journalistinnenverbandes, 1974.

[7] Bott, Gerhard: Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben, ARD 7.2.1971.

[8] Bittorf, Wilhelm: Die Unzufriedenen Frauen, in Zeichen der Zeit, SDR, 7.2.1963.

[9] Jurreit, Marielouise: Vorschlag zur Gründung eines Journalistinnenverbandes, 1974.

[10] ebenda