Einleitung
…in der Zwischenzeit [nach 1968] ist eine Frauenbewegung entstanden und ist zu einer Massenbewegung geworden, eine Frauenbewegung, die sich anfänglich in Frauenzentren organisiert hat, aber immer mehr über diese Zentren hinausgreift.
Die Sommeruniversität, die etwas an der Universität verändern will, ist also nicht etwa deshalb möglich geworden, weil ein paar Dozentinnen etwas kapiert haben, sondern weil viele Frauen viel kapiert haben und dabei sind, an der Gesellschaft etwas zu verändern…
Dies konstatiert Gisela Bock, Mitinitiatorin der 1. Sommeruni, 1976 in der Einleitung zum Buch: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen. Juli 1976.
Die Idee zu einer “Berliner Sommeruniversität für Frauen” entstand Ende 1975 in der Berliner “Dozentinnengruppe”; bereits im Juli 1976 fand die Sommeruni erstmalig statt – und führte in einem Überraschungserfolg gleich mehr als 6000 Frauen zusammen:
Studentinnen, Dozentinnen aus dem Mittelbau der Unis, Lehrbeauftragte, Frauen aus den Frauen- und Lesbenzentren und vom Zweiten Bildungsweg.
Inge von Bönninghausen schrieb rückblickend, im Jahr 2000:
Von den sieben Sommeruniversitäten zwischen 1979 und 1985 habe ich fünf miterlebt… Wenn ich heute die Dokumentationen lese, wird erst so richtig erkennbar, wie sehr die Berliner Sommerunis die Frauenbewegung bewegt haben und von ihr bewegt wurden. (Vollständiger Text und Quelle siehe unter “Rezeption”)
Inhalte
Verzeichnisse der Beiträge der Sommeruni – 1976 bis 1979, zum Öffnen des PDF bitte auf das Bild klicken
Cover der Verzeichnisse der Beiträge der Sommeruni 1979, 1980 und 1983, leider keine PDFs vorhanden
Wann – wer – wo?
1.
1976, 3.-8. Oktober
Titel von Veranstaltung und Buch: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen • Juli 1976
Ort: Rostlaube an der FU (Freien Universität) Berlin
Veranstalterinnen, Herausgeberinnen: Gruppe Berliner Dozentinnen
Buch Herausgeberinnen: Gruppe Berliner Dozentinnen, 410 S., mit Illustrationen, Courage Verlag Berlin 1977
2.
1977, 3.-8. Oktober
Titel von Veranstaltung und Buch: Frauen als bezahlte und unbezahlte Arbeitskräfte. Beiträge zur 2. Berliner Sommeruniversität für Frauen – Oktober 1977
Ort: FU Berlin Audimax/Henry Ford Bau, und Rostlaube
Veranstaltung an der FUB, durch Vorbereitungsgruppe der Sommeruniversität f. Frauen
Ausführliches Programmheft 57 S.
Buch Herausgeberinnen: Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität für Frauen e.V., 534 S., mit Illustrationen
3.
1978
Titel von Veranstaltung und Buch: Frauen und Mütter. Beiträge zur 3. Sommeruniversität von und für Frauen – 1978
Ort: Berlin – ?
Buch Herausgeberinnen: „3. Sommeruniversität für Frauen 1978 e.V.“, 544 S., mit Illustrationen, Agit Druck, Vertrieb: Frauenbuchvertrieb
4.
1979, 1.-6.Oktober
Titel von Veranstaltung und Buch: autonomie oder institution. über die leidenschaft und macht von frauen
Ort: FU Rost-/Silberlaube, Habelschwerdter Allee 45, 1 Bln 33
Trägerin: Verein Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V., „Eine Veranstaltung an der FU Berlin“, „Unter Mitwirkung des Evangelischen Bildungswerkes Berlin“
Ausführliches Programmheft 89 S.;
Buch, Herausgeberinnen: Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität der Frauen e.V.. Kein Verlag genannt – Oktoberdruck, Frauenbuchvertrieb, 558 S. mit Illustrationen, Auflage 5000!
5.
1980, 29. September – 4. Oktober
Titel der Veranstaltung: Biederer Alltag – Radikale Träume. Realität und Utopien erwerbstätiger Frauen
Ort: FU Rost-/Silberlaube Habelschwerdter Allee 45, 1 Bln 33
Trägerin: Verein Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V., „Eine Veranstaltung an der FU Berlin“
Kein Buch; nur ausführliches Programmheft mit Illustrationen 144 S., plus „Sommeruni aktuell“, einem Ergänzungsprogramm in A3, sowie einem weiteren Programmheft ca. 30 Seiten.
1981: keine Sommeruniversität
6.
1982, 4.-9. Oktober
Titel Veranstaltung: (Über)Lebensstrategien
Ort: FU Rostlaube, Habelschwerdter Allee 45, 1 Bln 33
ASTA FU Lesbenreferat; „Veranstaltung an der FU Berlin“;
Trägerin: ZE zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung
Kein Buch; nur ausführliches, illustriertes Programmheft 126 S., mit abstracts.
7.
1983, 1983, 3.-8. Oktober
Titel von Veranstaltung und Buch: Wollen wir immer noch alles? Frauenpolitik zwischen Traum und Trauma
Ort: Technische Universität Berlin FB Mathematik, Str.d.17. Juni
Vorbereitungsgruppe 7. SU für Frauen, Berlin
Programmheft o.S. ca 80 Seiten;
Buch Herausgeberinnen: Vorbereitungsgruppe 7. Sommeruniversität für Frauen, Berlin; 596 S., mit Illustrationen, Verlag Zitronenpresse
1976: Die Gründerinnen
Die folgende Liste entstammt der Dokumentation “Frauen und Wissenschaft” [Berlin 1977, Courage Verlag, S.409] und enthält, unter dem Titel „Kontaktadressen“, die Namen der Vortragenden, mit Ausnahme einer amerikanischen Historikerin. Sie sind auch im Inhaltsverzeichnis genannt, einschließlich der Nicht-Berlinerinnen.
Ein Hinweis: In der „Dozentinnengruppe”, die in der Dokumentation nicht genau spezifiziert wird, waren nur Berlinerinnen aktiv, vermutlich etwa zehn. Die tatsächliche Zusammensetzung der “Dozentinnengruppe” wird aktuell recherchiert und das Ergebnis dann hier eingetragen.
Bartsch, Ingrid
Bock, Gisela, Prof. Dr.
Zum Artikel in wikipedia und zum Interview
Dilthey, Daniela, Psychotherapeutin MA, Dipl.Psych.
Duden, Barbara, Prof.Dr.
Zum Artikel in wikipedia.
Dürkop, Marlis, Prof. Dr.
Zum Artikel in wikipedia und zur politischen Autobiografie
Hagemann-White, Carol, Prof.Dr.
Zum Artikel in wikipedia.
von der Lühe, Irmela, Prof. Dr.
Zum Artikel in wikipedia.
Pistor, Konstanze
Plogstedt, Sibylle, Dr.
zum Artikel in wikipedia.
Poppinga, Jutta
Rentmeister, Cillie, Prof. Dr. (s.a.: Rentmeister, Cäcilia)
Zum Artikel in wikipedia.
Schmidt-Harzbach, Ingrid, Dipl.Pol.
* 1941 – † 1991. Trauerrede, Literatur und Film
Sauter-Bailliet, Theresia, Dr.
* 1932
Biografie bei fembio.
Schöpp-Schilling, Beate, Dr.
siehe: Hanna Beate Schöpp-Schilling
* 1940 – † 2009
Zum Artikel in Wikipedia.
Schultz, Dagmar, Prof. Dr.
Zum Artikel in Wikipedia
Tröger, Annemarie, Dr.
* 1939 – † 2013
Nachruf im Tagesspiegel Berlin.
Nachruf in isioma von Ingrid Kurz-Scherf: “Freier Geist – mutige Frau”.
Rezeption
Für die zeitgenössische Rezeption lohnt es, die jeweiligen Ausgaben der Zeitschrift Courage zu konsultieren.
Einen persönlichen Rückblick schrieb Inge von Bönninghausen im Jahr 2000 für die Zeitschrift Ariadne:
»Meine« Alma Mater war für viele prägende Jahre die Freie Universität Berlin. Es waren die Sechziger. Die Studierenden der FU nahmen in diesen Jahren zunehmend den Namen ihrer Uni ernst, machten sich frei vom hundertjährigen Staub unter den Talaren. Mit den bekannten Folgen. Für mich bedeutete in Berlin zu studieren, erst mal frei werden vom Schulstaub und vom Kleinstadtleben am Niederrhein, Dass nur jeder fünfte Student weiblich war, und dass fast alle Kommilitoninnen an der Phil. Fak. Studienrätin werden wollten, kam mir kaum merkwürdig vor. Um in diese Versuchung gar nicht erst zu geraten, habe ich kein Staatsexamen gemacht, sondern gleich die Promotion angesteuert. Im bedeutungsträchtigen Jahr 1968 war es geschafft.
Was ist geblieben von dieser aufregenden Studienzeit, was hat weiter gewirkt? Im Kern ist es die Erkenntnis, dass Geschichte und Politik genauso wie Literatur und Philosophie von Menschen gemacht werden, und deshalb nichts so sein muss wie es ist. Wie anstrengend diese Freiheit werden kann, wusste ich noch nicht. Acht Jahre später, inzwischen Fernsehredakteurin, studierte ich wieder an der Freien Universität.
Zur ersten Sommeruniversität fur Frauen waren um die 6000 Teilnehmerinnen gekommen, im Gepäck ihre Erfahrungen aus dem §218-Kampf, aus Frauenzentren und -gruppen, fest davon überzeugt, dass Gemeinsamkeit stark macht. Was für ein Bild, was für ein Gefühl, welche Neugierde! Zentrales Thema war die Wissenschaft selbst, in der Frauen weder als Subjekte vorkamen noch als Objekt der Forschung. Und jetzt ging es nicht mehr nur darum, dass nichts so sein muss wie es ist, sondern zu verändern: die Wissenschaft und die Gesellschaft. »Radikal« wie Gisela Bock in der Dokumentation schrieb.1978 war ich wieder da, diesmal sollten wir für den WDR berichten. Uschi Gersch und ich, mit dem dicken Programm »Frauen und Mütter« in der Hand, mussten jeden Tag neu entscheiden, welche Veranstaltung wir in Bild (Susanne Beyerle) und Ton (Margit Eschenbach) festhalten wollten. Klar waren wir manchmal lästig, well man eh schon kaum treten konnte in den überfüllten Räumen, aber wir wurden auch Teilnehmerinnen, und die Arbeit an diesem 30 Minutenfilm so auch ein Experiment. »Anders« wollten Feministinnen berichten: nicht distanziert »über« Ereignisse und Menschen, sondem parteisch »bei« und »mit« ihnen.
Von den sieben Sommeruniversitäten zwischen 1979 und 1985 habe ich fünf miterlebt. Da gab es Intensität und Langeweile, Konflikte und Lernen im Dialog. Wenn ich heute die Dokumentationen lese, wird erst so richtig erkennbar, wie sehr die Berliner Sommerunis die Frauenbewegung bewegt haben und von ihr bewegt wurden. Der Titel der letzten lautete »Wollen wir immer noch alles? Frauenpolitik zwischen Traum und Trauma”. Seitdem scheint sich die Waage immer mehr hin zum Trauma gesenkt zu haben, und wie eine Antwort auf die Frage, ob wir denn noch alles wollen, klingt heute vielstimmig die Gegenfrage »Was wollt ihr denn noch?«.Viele Frauen, die ich in Berlin kennen gelernt habe, sind mir immer wieder begegnet, als Professorin, Politikerin oder Projektieiterin. Und immer gibt es da dieses Wiedererkennen aus einer so ganz besonderen Studienzeit. Barbara Duden, Carol Hagemann-White, Beate Schöpp-Schilling und Cillie Rentmeister zum Beispiel.
Aus: Ariadne – Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung, 37/38 (2000), S. 130.
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